Paris, Sommer 1945. Eine Frau läuft durch die Stadt. Es ist die kommunistische Widerstandskämpferin Lise London. Sie kommt zurück aus der Deportation. In ihrer Tasche Gedichte, auf armenisch geschrieben. Es sind die Texte, die Louisa Aslanian überlebt haben: eines davon heisst Mala.

Lass, die treue Kommunistin und Widerstandskämpferin, wollte im KZ nur noch schreiben. Sie hat so wenig Spuren hinterlassen, dass man dazu tendieren könnte, ihre Texte als Lebensbericht zu lesen. Mit dem Risiko, Fiktion und Realität zu vermischen.

Aus dem Buch La mégère de la rue Daguerre von Lise London:

"Ende Dezember oder Anfang Januar traf ein Dutzend Französinnen bei uns ein, sie kamen aus Auschwitz, das kurz vor der Einnahme durch die Russen evakuiert worden war. Sie erzählten uns von den dort herrschenden Lebensbedingungen, von der systematischen Ermordung von Menschen, die in Birkenau bis zum bitteren Ende durchgeführt wurde. Sie erzählten uns die Geschichte von Macha, einer jungen jüdischen Belgierin, der mit Hilfe eines Wachmanns die Flucht gelungen war … Als sie ein paar Tage später gefasst wurde, hatte man sie vor tausenden anderer Frauen auf dem Appellplatz gehängt. Sie waren dabei gewesen und erzählten vom Mut der kleinen Macha im Angesicht des Todes. Diese Geschichten inspirierten Luisa zu einem langen Gedicht; Tage verbrachte sie damit, Dutzende Blätter zu beschreiben.

Nachdem mich die sowjetische Ärztin vor einem bevorstehenden schwarzen Transport warnte, versuchte ich Luisa zu überreden, vorübergehend in die Fabrik zurückzukehren. Sie weigerte sich:

„Lieber sterbe ich, als für die Nazis zu arbeiten …“

Im Januar erfolgte dann schließlich die Selektion, von der schon so lange die Rede war, und Luisa Aslanian zählte zu den „Auserkorenen“. Am Tag der Abreise war es sehr kalt. Schnee bedeckte das Feld, das Lager schien wie in ein Leichentuch gehüllt. Jede der Abreisenden erhielt als einziges Gepäck eine Strumpfhose, ein leichtes Kleid und einen Mantel, an den ein rotes Kreuz angenäht war. Für Luisa hatte ich zusätzlich noch ein wärmeres, gestreiftes Kleid aufgetrieben, ein Hemd und eine Unterhose. Da übergab sie mir ein Päckchen, in Packpapier eingewickelt und mit Fäden zugebunden: „Das sind meine Gedichte, Lise. Ich will sie dir anvertrauen, verstehst du … Der Abschied fällt mir leichter, wenn ich weiß, dass sie nach Frankreich gelangen. Gib sie für mich an meine Landsleute weiter.“

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5 mars - 15 heures - Paris

December 5th, 2022

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